Banatski kulturni centar, Novo Miloševo, 2012. |
Mein Haus am Dorfende, mein Herr
Mein Haus am Dorfende
meine Seele in diesem Haus
am Dorfende
mein Herr
Und im Zimmer
meine Frau
meine Kinder
meine Wörter
kleine Wörter
Mein Herr
und übliche alltägliche
In diesem Haus genügend Platz
viele Ziegelsteine
genug Gras
viel Obst
und im Zimmer bei der Ikone
ein Spaten von dem Jahrmarkt
Sein Griff ist aus Eschenholz
seine Schneide aus Stahl
und mit dem Spaten in diesem Haus
im Hof
manchmal unter Sternen nachts
grabe ich mich ein
sechs Mal in der Minute
wenn es so ist, was soll ich tun
mein Herr
Wenn es gut ist, ist alles gut, mein Herr
Wenn es gut ist
ist alles gut
mein Herr
wenn es schlecht ist
ist alles schlecht
mein Herr
Wenn es gut ist
harter Fuß auf dem Stuhl
wenn es schlecht ist
vom Dachboden
muhen von der Decke die Kühe
aus dem Rauchfang sprudelt Milch
Flöhe springen und gackern
Welpen wiehern
Katzen iahen
der Wind leuchtet
die Sonne weht
die Sterne zirpen wie die Schubkarre
von unserem Stall
mit Speichen aus Akazienholz
mein Herr
Den Spaten halt‘ ich mit der Pranke, mein Herr
Ich erschrecke manchmal
mein Herr
Vor Einsamkeit, vor Taubheit
vor Blindheit
Und beherzt klammere ich mich
an die Schönheit, an die Güte
an die Reinheit
und was auch immer
Doch sie reiten und zwingen mich
zu tänzeln und zu traben
genauso wie sie es sagen
Doch von den Höhen
lächelst du
und versuchst mich
wie du willst
Ich war ein rotes Pferd
Ich war ein grünes Pferd
Ein blaues Pferdchen, das ausschlägt
wenn eine scharfe pannonische Bremse
ihm auf dem Hals landet und Blut saugt
mein Herr
Und ich bleibe stehen
staune schüchtern
Ich weiß nicht wohin
Ich weiß nicht was
Den Spaten halte ich mit der Pranke
und durch meinen blauen Kopf
erblühe ich blaugraue Vögel
Blaugraue Wachtelvögel
Und Ängste, Vogelliebhaber
Wollen ihnen Flügel stutzen
Vor Einsamkeit
Vor Taubheit
und Blindheit
mein Herr
Sprache der gnadenlosen Satire
(Auszug aus der Rezension)
Das dichterische Vorgehen Radovan Vlahovićs im verketteten Gedichtband, oder Poem „Mein Herr“, fasst manche Erfahrungen bekannter dichterischer Entdeckungen zusammen, fügt aber auch einige neue, dieser Art des Dichtens inhärente Dichtungsformen hinzu. Was bedeutet das konkret? Der dichterische Schwung, das, was einzelne Gedichte (Poem) wie Kunstwerke sammelt und am Leben erhält, bietet der Dichter wie sein Spezifikum an, es auf Bestreuungen und Resten vom Epischen, Humoristischen, Absurden, Satirischen und Ironischen begründend, sowie auch auf verschiedenen Formen des Nachahmens, Simulacrums, um sich letztendlich als eine sehr einfache und klare „Geschichte“, Botschaft der einzelnen Gedichte, herausstellend. Die zweite Ebene, die man als motivisch-inhaltlichen Grund der Gedichte (Poems) bezeichnen könnte, ist ein aus Schatten verschiedener folkloristischer, natürlicher, patriarchalischer, familiärer, dörflicher, politischer, religiöser, sittlicher und intimer Themen und Szenen verflochtenes Gewebe. Der Rhythmus ist, neben dem spezifischen Verhältnis zu diesen verschiedenen Welten und ihrem Verflechten und Konfrontationen, jenes ausschlaggebende Bindegewebe, das einzelne Gedichte (Poem) als eine Ganzheit zusammenhält. Die Verschiedenheit der Rhythmen, deren Nachahmen oder Simulieren mancher bekannter Muster aus mehreren poetischen Formen, Religion und anderen geistigen Disziplinen, kombiniert mit dem spezifischen Gefühl und schwerer Melancholie (schier Hoffnungslosigkeit) des Banats, räumt diesem dichterischen Werk eine Sonderstellung in unserer gegenwärtigen lyrischen Landschaft ein.
Simon Grabovac